Weser Kurier

Der Entscheider mit dem Handicap

Große Erleichterung ist aus den Aussagen der Ottersberger herauszuhören, auch aus denen von Mazan Moslehe. Die vergangenen Wochen waren schwer und alles andere als von Erfolg geprägt. Der Oberliga-Absteiger verpatze den Saisonauftakt gründlich – nach fünf Spielen fand sich der TSV mit nur einem Sieg und vier Niederlagen auf einem Abstiegsplatz wieder. Besonders die 1:10-Klatsche am ersten Spieltag beim SV BW Bornreihe hatte die Wümmekicker hart getroffen. „Das war natürlich Wahnsinn. Absoluter Totalausfall – und zwar jeder“, erinnert sich Moslehe. Doch bereits eine Woche später schien die Niederlage nur ein Ausrutscher zu sein – 4:1 gewann der TSV Ottersberg gegen den MTV Dannenberg. Doch danach setzte es drei Pleiten am Stück, der Absteiger bereits wieder auf einem Abstiegsplatz. „Wir haben es einfach nie geschafft, mehr als nur phasenweise guten Fußball zu spielen“, betont Moslehe. Konzentrationsschwächen, mangelnde Zweikampfführung. Das reiche halt nicht einmal für die Landesliga.

Messerattacke beendet Profi-Traum

Mazan Moslehe weiß, wie in höheren Klassen gekickt wird. Zudem ist er ein alter Bekannter in Ottersberg. Bereits in der Spielzeit 2011/2012 war er an der Wümme aktiv. Gelernt hat der 25-Jährige den Umgang mit dem runden Leder beim Hamburger SV. Bis zur U19 durchlief er die Jugendabteilungen des Bundesligisten. Im Anschluss wechselte Moslehe zum Kapfenberger SV in die österreichische Bundesliga. Der Traum von einer Profikarriere war zum Greifen nah. Doch zwei Dinge sollten diese verhindern: Zunächst zog er sich einen Knorpelschaden zu und fiel sieben Monate aus. In Hamburg ging er zur Reha und kurz bevor diese zu Ende war und er sich wieder auf den Weg gen Österreich machen wollte, passierte etwas, was sein Leben entscheidend verändern sollte. Mazan Moslehe wurde im linken Oberarm von einem Messer getroffen. „Das war einer, der auf Drogen war. Wir hatten keinen Stress mit ihm, der lief da einfach so rum. Als er auf eine Freundin mit dem Messer losging, habe ich mich dazwischen gestellt und er traf mich im Oberarm“, berichtet er. Konsequenz: Not-Operation und Koma.

Fünf Jahre ist das mittlerweile her. Beschwerden hat er heute immer noch, zudem bekommt er drei Mal die Woche eine Spritze. Eine speziell in Amerika angefertigte Schiene soll er eigentlich zehn Stunden täglich tragen, „aber ich mag sie nicht, da alle immer so blöd gucken, wenn ich sie trage“, erzählt Moslehe. Sein Oberarm ist gelähmt, den spürt er gar nicht, sowie seinen Daumen, auch der Rest des Armes und der Finger seien nicht bei 100 Prozent. „Basketball spielen ist für mich etwas schwer“, gesteht Moslehe schmunzelnd. Er hat den Schicksalsschlag überwunden und kann wieder Fußball spielen. Das sei ihm mit das Wichtigste. Zwar verspüre er noch Schmerzen, doch mit dem Adrenalin, das sich während des Spiels aufbaut, merke er davon wenig. Auch Außenstehenden fällt dies nicht auf. „Es behindert mich schon, aber auch nicht zu sehr“, gibt er zu.

Nach der Station Kapfenberg ging es über Teutonia Uelzen nach Ottersberg. Doch bereits nach einem Jahr zog es Moslehe weiter. In den folgenden Jahren spielte er für den Goslarer SC, am Tivoli bei Alemannia Aachen, bei den Sportfreunden aus Lotte und dem Lüneburger SK Hansa – allesamt Regionalligisten. Zu dieser Spielzeit streifte er wieder das grüne Trikot der Ottersberger über. Aber warum zurück in die Landesliga? „Ich hatte immer Kontakt zu Wolf-Hinrich Haltermann. Er ist wie ein Vater für mich“, betont Moslehe. Er möchte etwas aufbauen und glaubt an das Team. Er habe gewusst, dass es schwer werden würde, da sich der TSV im Vergleich zur Vorsaison komplett verändert hat. „So einen Start hab ich aber auch nicht kommen sehen“, wundert sich Moslehe. Doch jetzt schöpfe man bei den Wümmekickern neuen Mut. „Wir haben unser bestes Spiel abgeliefert und endlich über 90 Minuten konstant gespielt. So können wir gegen jeden gewinnen“, gibt sich Moslehe kämpferisch. Doch gleichzeitig warnt der Stürmer auch: „Wir dürfen nicht glauben, jetzt laufe alles von alleine.“ Mazan Moslehe weiß, dass einem Hoch auch ganz schnell wieder ein Tief folgen kann.

Quelle: Weser Kurier 25.09.2015;