Achimer Kreisblatt

Fußball-Angebot für Geflüchtete mausert sich zur Mannschaft

„Eine Mannschaft - ein Geist“

Ottersberg - Von Petra Holthusen. Klapperkalt ist es an diesem Abend auf dem Ottersberger Wümmesportplatz. Dass der frostige Rasen unter den Fußballschuhen knirscht – macht nix. Sowas hält die Montagskicker nicht vom Training ab.Einer kommt sogar in kurzen Hosen. Trainer Innocent Sokora, die Wollmütze tief ins Gesicht gezogen, zählt fast zwanzig Wetterfeste in Stollenschuhen – und dazu noch einen Gast: Werner Kühnemann. Der Präsident des Lions-Clubs Ottersberg/Wümme will mal gucken, wie das so läuft beim Montagskick, dem Fußballangebot für geflüchtete Menschen. Die Lions haben dem Team gerade einen Trikotsatz für die kommenden Liga-Einsätze spendiert.

Im April hat der Fußballverein TSV Ottersberg die offene Kickrunde am Montagabend gegründet, „um den Flüchtlingen in unserer Gemeinde ein wenig Abwechslung und Freude vom doch oft noch schwierigen Alltag zu bieten und um den Kontakt zu Einheimischen zu erleichtern“, so René Fournier.

Der frühere Erstherren- und heutige Altherrenspieler des TSV Ottersberg hat das Integrationsprojekt mit initiiert und im Verein die neue Funktion eines Flüchtlingsbeauftragten übernommen. Sich kennen lernen und Kontakte knüpfen beim Kicken – die Idee kommt an. Im Sommer tummeln sich montags von 19 bis 21 Uhr bis zu 40 Fußballbegeisterte auf dem Sportplatz, jetzt bei Minusgraden immerhin noch an die 20. Neue sind immer willkommen.

Auch für Jugendliche ist das Angebot offen, und manchmal kicken auch Frauen mit. Den harten Kern der Montagskicker aber bilden geflüchtete Männer, die in Ottersberg leben. Sie kommen aus Afghanistan, Syrien, dem Irak, verschiedenen afrikanischen Staaten – eine Multi-Kulti-Truppe, der sich auch ein paar Einheimische angeschlossen haben.

Da ist es nur gut, dass Trainer Innocent Sokora, ein versierter Kicker von der Elfenbeinküste und seit anderhalb Jahren in Ottersberg zu Hause, neben Deutsch und Englisch auch ein bisschen Französisch und Arabisch spricht, um Sprachbarrieren auf dem Platz zu meistern. Ansonsten funktioniert Fußballspielen eben mit Händen und Füßen und dem gemeinsamen Spaß am Sport und an der Sache.

Ein Selbstgänger war das Montagskicken nicht im Vereinsvorstand. Da musste René Fournier schon ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten, wie er sagt. Vor allem musste er gegen das Leistungsdenken anarbeiten. Die oft gehörte Frage „Wie gut können die denn kicken?“ war für ihn nicht die entscheidende. Ihm ging und geht es um den Integrationserfolg.

„Aber manchmal“, so Fournier, „muss man den Leuten eben aufs Pferd helfen, damit sie sehen, was alles möglich ist.“ Zum Beispiel, dass die Geflüchteten wie andere Kicker des Vereins auch ganz selbstverständlich beim Altpapiersammeln dabei sind oder bei Jugendturnieren mithelfen. Und auch wenn der Leistungsgedanke nicht vorne an steht: Einige der Geflüchteten schafften inzwischen den Sprung in den Kader der Ersten und Zweiten Herren und helfen dem Verein sportlich weiter.

Auch andere haben Ehrgeiz und Wettkampffieber gepackt, und deshalb meldet der TSV Ottersberg das Flüchtlingsteam jetzt als Dritte Herren für den Ligaspielbetrieb an. In der Rückrunde kickt die Mannschaft außer Wertung voraussichtlich in der 3. Kreisklasse mit. Gefragt sind dafür nun Trainingsfleiß – dafür richtet der TSV eine zweite Teamtrainingszeit ein – sowie Disziplin und gutes Verhalten auf dem Platz: „Das haben wir alles ausführlich besprochen“, sagt Fournier in dem Wissen, dass bei den Montagskickern auch ein paar Heißsporne am Start sind: „Es ist ja nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen.“

Das weiß auch Trainer Innocent Sokora, der übrigens zusammen mit René Fournier in der Ü 32 des TSV Fußball spielt. Aber selbst wenn es bei den Montagskickern mal hoch hergeht, vermittelt Sokora der Truppe seinen Anspruch: „Eine Mannschaft – ein Geist.“ Dank der finanziellen Unterstützung durch den Lions-Club ist für die Dritte Herren des TSV Ottersberg gerade ein Satz neue Trikots in der Beflockung.

Immer wieder gebraucht werden in der Multi-Kulti-Truppe Trainingsklamotten und Fußballschuhe, die sich die Geflüchteten selbst nicht leisten können. Wer ausrangierte, aber gut erhaltene Sportartikel spenden möchte, kann sich per E-Mail an René Fournier wenden (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.).

Quelle: Achimer Kreisblatt 30.11.16; Petra Holthusen